Künstliche Intelligenz - Ende eines Mythos?
Ipke Wachsmuth
Technische Fakultät
Universität Bielefeld
ipke@techfak.uni-bielefeld.de
Wie alles anfing: "We propose that a two-month, ten-man study of artificial intelligence be carried out during the summer of 1956 at Dartmouth College in Hanover, New Hampshire. The study is to proceed on the basis of the conjecture that every aspect of learning or any other feature of intelligence can in principle be so precisely described that a machine can be made to simulate it." (Schlüsselsatz aus dem Antrag an die Rockefeller Foundation für die als Gründungsereignis der KI gewertete Dartmouth Conference, 1956 in Hanover, New Hampshire; Autoren: John McCarthy, Marvin Minsky, Nathaniel Rochester, Claude Shannon)
Ein Mythos "KI" ist vermutlich u.a. aus folgenden Gründen
entstanden :
* maschinelle Leistungen wurden mit intellektuellen Leistungen des
Menschen verglichen ("General Problem Solver") und führten zu
vorzeitigen und übersteigerten Erwartungen über die
Erreichbarkeit von maschinellen Leistungen
* der Raum für Wunschprojektionen ist im Bereich der KI
besonders groß gewesen, da die Kluft zwischen der 'Ideologie' und
Technik der KI beträchtlich ist.
* im Begriff "KI" liegen Suggestionspotentiale, die sowohl von der
Wissenschaft im Interesse größerer Forschungsressourcen
instrumentalisiert als auch von industriellen Anwendern
marktstrategisch genutzt worden sind.
(Geschieht ähnliches gegenwärtig im Bereich der
Neuronalen Netze?)
Mit Techniken, die in der KI entwickelt wurden, sind in der Tat
Leistungen erbracht worden, die zu Produkten geführt haben
(z.B. objektorientierte Programmiermethoden, die u.a. die Basis der
heutigen Benutzeroberflächen bilden), aber:
* auf der technischen Ebene fällt es schwer, Innovationen aus
dem Bereich Künstliche Intelligenz von entwickelter
Informationstechnik abzugrenzen
* aufgrund der Tatsache, daß ein Produkt nach seiner
Funktionalität und seinem Gebrauchswert und kaum nach der
ermöglichenden Technik beurteilt wird, ist es fraglich, ob man
darin verwandte KI-Techniken überhaupt als solche wahrnimmt
* KI-Technologie findet (auch nur) nur auf dem Umweg über die
oft mühsame und langwierige Produktentwicklung Eingang in
Arbeitszusammenhänge und unterliegt Prinzipien der
Markterschließung und Akzeptanz
KI als akademisches Gebiet verfolgt mit naturwissenschaftlichem Anspruch (Formulierung präziser Gesetze) das Ziel, Aspekte der menschlichen Intelligenz zu erklären. Unter allen Gebieten naturwissenschaftlicher Erkenntnis nimmt sie eine vordere Position ein, solange menschliche Intelligenz eine "Mythos-Stellung" in der von uns vorgefundenen Welt genießt. Es ist gegenwärtig anzunehmen, daß KI als Forschungsgebiet und Technologie auch weiter am Bild der menschlichen Intelligenz orientiert wird und daß zugleich die Resultate auf dem Gebiet der KI unser Bild von der menschlichen Intelligenz beeinflussen.
Dortmund 19-10-94