Bielefelder Workshop
"Problemadäquanz und Systemtechnik – Eine interdisziplinäre Betrachtung von Expertensystemtools"

Universität Bielefeld/ZiF, 4. - 5. November 1993

Abstracts


Programm - Teilnehmer - Abstracts - Dokumentation - Fotos - das ZiF

Barbara Heller (Bielefeld)

Aspekte der Problemadäquanz

Eine Diskussion über Aspekte der Problemadäquanz beim Einsatz von Expertensystemtools setzt zunächst die Betrachtung der Begriffe Problemklasse und Problemlösungsmethode voraus. Im Anschluß wird die Identifikation von verschiedenen Problemlösungsmethoden und die Zuordnung einer Problemklasse zu einer oder mehreren geeigneten Problemlösungsmethoden anhand eines Überblicks über bisherige Ansätze aufgezeigt. Der Begriff der Problemklasse schematisiert eine anwendungsbezogene Einteilung von Aufgaben aufgrund von Domänenkriterien. Eine Einteilung in Problemklassen soll nicht nur eine Unterstützung in der Auswahl von Methoden der Wissensakquisition und Implementierung bieten, sondern auch die Wahl eines geeigneten Entwicklungswerkzeuges erleichtern.

Sonja Schlegelmilch (Bielefeld)

Systemtechnische Betrachtung von Expertensystemwerkzeugen

Können systemtechnische Überlegungen zur Auswahl eines Entwicklungswerkzeuges dazu beitragen die erfolgreiche Realisierung eines wissensbasierten Systems zu unterstützen? Um die Eignung eines Werkzeugs aus systemtechnischer Sicht feststellen zu können, werden strukturierende und verarbeitungsspezifische Basisstrukturen der Wissensrepräsentation erörtert. Die im Vortrag vorgenommene Auswahl von Repräsentationstechniken basiert auf Gesichtspunkten wie der Wissensdarstellung auf Bereichs- und Inferenzebene sowie der Verfügbarkeit von Inferenzmechanismen. Die getroffene Auswahl vergleicht dazu den symbolorientierten und datenorientierten Ansatz, framebasierte mit logikbasierten Repräsentationsformen und setzt eine regelbasierte mit einer prozeduralen Wissensabbildung in Bezug. Schließlich wird eine Darstellung von unsicherem Wissen und die Eignung von nichtmonotonem Schließen diskutiert.

Burkhardt Fischer (Ulm)

Kriterien für die Auswahl einer geeigneten Entwicklungsumgebung für ein wissensbasiertes Assistenzsystem

Der Auswahl eines Entwicklungssystems für wissensbasierte Systeme sollte eine Analyse der besonderen Anforderungen durch das Projekt und das Anwendungsgebiet vorangehen. Für ein medizinisches Assistenzsystem wird eine Aufstellung dieser Anforderungen gegeben und das angewandte Bewertungsverfahren für in Frage kommende Systeme skizziert. Für die Entwicklung eines wissensbasierten Assistenzsystems zur Entscheidungsunterstützung bei komplexen zytotoxischen Mehrfachbelastungen mußte eine geeignete Entwicklungsumgebung ausgewählt werden. Zu berücksichtigen waren zum einen geeignete Repräsentationsmechanismen für das zu modellierende Wissen, die Möglichkeit eine leicht zu bedienende Benutzerschnittstelle für den computerunerfahrenen Arzt zu erstellen und eine möglichst gute Integration der Verfahren und Werkzeuge.

S. Neubert (Karlsruhe)

CoMo-Kit: Ein Werkzeug für das modellbasierte Knowledge Engineering

MIKE ist ein methodischer Ansatz des Knowledge Engineering, der eine sowohl modellbasierte als auch inkrementelle Entwicklung eines Expertensystems vorschlägt. Dabei wird ein formales und ausführbares, aber vollkommen implementierungsunabhängiges Modell der Expertise in der Spezifikationssprache KARL erstellt. Für die Durchführung der zugrundeliegenden Phasen stehen in MIKE Werkzeuge zur Verfügung. CoMo-Kit unterstützt die graphische Entwicklung der verschiedenen Modelle der Wissensakquisitionsphase. Die Methodenauswahlkomponente unterstützt die top-down Vorgehensweise. Des weiteren existiert ein Interpreter, der die Evaluierung eines formal in KARL beschriebenen Modells der Expertise ermöglicht. Ergebnisse und Zwischenergebnisse können mit Hilfe eines Debuggers graphisch veranschaulicht werden. Dies erleichtert die Evaluierung des Modells der Expertise. Für alle Werkzeugkomponenten steht eine Hilfekomponente zur Verfügung, die sowohl die Benutzung des Werkzeugs als auch die Vorgehensweise beim Wissenserwerb erklärt.

H. Groß (Berlin)

Erfahrungen mit ProKappa beim intensivmedizinischen Beatmungsmonitoring

Ein Beatmungsmonitor zur kontinuierlichen Darstellung von Atemzugmustern mit Hilfe von Expertensystemen auf einer Workstation am Krankenbett liefert dem Arzt ein objektives Bild der atemmechanischen Situation des beatmeten Patienten. Veränderungen in den Atmungsmustern, d.h. den zeitlichen Druck-, Flow- und Volumenverläufen aufgrund eines veränderten Patientenzustandes oder geänderter Einstellungen am Beatmungsgerät können direkt beobachtet werden. Bisher nicht erkennbare Zusammenhänge werden in Form von typischen Atemzugmustern sichtbar. Um eine Bewertung und Klassifikation dieser Atemzugmuster zu ermöglichen, wurden adaptive mathematische Modelle für die Lungenmechanik in diesen Beatmungsmonitor integriert, mit denen kontinuierlich Druck- bzw. Flowverläufe berechnet werden. Der Beatmungsmonitor wurde mit der objektorientierten Entwicklungsumgebung PROKAPPA, einem hybriden Werkzeug zur Expertensystementwicklung, realisiert. Er ist eingebettet in die grafische Oberfläche X11/Motif, wurde unter UNIX auf einer SUN-SPARC-Station entwickelt und läuft auch unter HP9000/700-Architektur.

Jörg Niggemann (St. Ingbert)

Repräsentation anatomischen Wissens: Anforderungen an das Repräsentationswerkzeug

Mit Blick auf die Repräsentation anatomischen Wissens setzt der Vortrag zunächst die Struktur des Wissens und Struktur der Repräsentation in Beziehung. Sodann werden Anforderungen an das Repräsentationswerkzeug aus der Sicht der Domäne und aus der Sicht der Anwendung formuliert. Schließlich wird das Repräsentationswerkzeug JAFS vorgestellt und im Hinblick auf diese Anforderungen diskutiert.

Ute Gappa (Karlsruhe)

Entwicklung problemspezifischer Shells und Einsatzerfahrungen beim Aufbau medizinischer Wissensbasen

Das problemspezifische Expertensystemwerkzeug CLASSIKA/D3 wird vorgestellt und im Hinblick auf heuristische Diagnostik und fallvergleichende Diagnostik diskutiert. Es folgt ein Bericht über Einsatzerfahrungen des Werkzeuges in der Medizin aus fünf Anwendungsbereichen. Hieraus werden schließlich verallgemeinernde Betrachtungen zur Entwicklung problemspezifischer Shells angestellt, betreffend Problemlösungsmethoden, Meta-Werkzeuge, Problemlösungsmechanismen sowie ein Meta-Wissensakquisitionswerkzeug.

P. Hucklenbroich / V. Schaeffler / S. Schleutermann (Neuherberg)

Einsatz von Expertensystemtools in MEDWIS

Zunächst wird ein allgemeiner Überblick über MEDWIS gegeben. MEDWIS steht für "Wissensbasen in der Medizin" und ist ein Forschungsschwerpunkt, der von der GSF mit Fördermitteln des BMFT konzipiert und ausgeschrieben wurde. MEDWIS soll strukturelle Veränderungen in der deutschen medizinischen (vor allem klinischen) Forschung bewirken durch: Identifizierung von Problemfeldern und Lösungswegen bei der Aufbereitung medizinischen Wissens für rechnergestützte Anwendungen; Entwicklung exemplarischer Anwendungen und Integration in den Versorgungsprozeß; Auswahl und Anpassung der für die Medizininformatik geeigneten informatischen Werkzeuge zur Schaffung einer für die weitere Entwicklung offenen technischen Plattform; Umgestaltung der Kooperationsstrukturen zwischen Forschung, Ausbildung, Praxis und Industrie. Es folgt ein Überblick über die MEDWIS-Projekte, den Einsatz von Sprachen und Tools sowie Aspekte der Integration und Evaluation.

J. Meyer-Fujara (Bielefeld)

Aspekte der Granularität bei der Modellierung renaler Hypertonie

Hintergrund der dargestellten Arbeiten zur Granularität ist das vom Ministerium für Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen geförderte Projekt HYPERCON zum Aufbau eines wissensbasierten Systems zur Unterstützung des Patientenmanagements von Hypertoniepatienten. Zu den informatischen Zielen des Projekts gehört es, Kriterien und Methoden zur modularen Gestaltung von Wissensbasen nach inhaltlichen Gesichtspunkten zu entwickeln. Ein wichtiger Modularisierungsaspekt ist dabei der Detailreichtum, die "Feinheit" verwendeter Modelle und Beschreibungen. Für diesen Aspekt hat Jerry Hobbs in seinem grundlegenden Artikel (Hobbs, 1985) den Begriff Granularität eingeführt.

K. Prätor (Düsseldorf)

Zwar eine Sprache aber fast eine Shell: LPA-Prolog

LPA-Prolog ist keine Shell, sondern eine logische Programmiersprache. Jedoch kann LPA-Prolog mit den Vorteilen einer Shell (hohe Produktivität, bequeme Entwicklungsumgebung, gute Wartbarkeit auch durch Nichtprogrammierer) durchaus konkurrieren und ist im Hinblick auf Flexibilität den meisten Shells überlegen. Was LPA-Prolog von anderen Prologimplementationen unterscheidet, ist die Tatsache, daß es seit langem auf dem Mac, seit einiger Zeit auch unter Windows, reichlich Prädikate für den Zugriff auf die grafische Benutzeroberfläche zur Verfügung stellt. Der Vorteil liegt nicht allein darin, daß die Oberflächenentwicklung erleichtert wird, sondern in der engen Integration von Mitteln der KI-Programmierung und Ein/Ausgabe-Gestaltung.

B. Hornung (Marburg)

Wissensbasiertes Management von Gesundheitsprojekten in Entwicklungsländern

Die am Institut für Medizinische Informatik in Marburg eingesetzte und weiterentwickelte Expertensystemshell DEDUC repräsentiert den besonders komplexen Typus eines wissensbasierten Simulationssystems. Sein Anwendungsbereich lag bisher aber nicht im Bereich der eigentlichen Medizin sondern im Bereich der Gesundheitsplanung und des Projektmanagements von Gesundheitsprojekten ("Public Health"). DEDUC kann als ein auf der Prädikatenlogik beruhendes symbolisches, regelbasiertes System charakterisiert werden. Es wurde ursprünglich im Rahmen eines Forschungsprojektes am Eduard Pestel Institut für Systemforschung (ISP) in Hannover entwickelt und dann an der Universität Marburg im Rahmen eines interdisziplinären Forschungsprojektes zur integrierten städtischen Siedlungs- und Gesundheitsentwicklung in Großstädten der 3. Welt (Habitat-Forschungsprojekt) als Baustein in einem umfassenden Projektmanagement und -monitoringsystem (MEPSS) verwendet. Die am Institut für Medizinische Informatik Marburg durchgeführte Softwareentwicklung und die Kooperation mit peruanischen Nicht-Regierungsorganisationen (NGO - Non Governmental Organizations) ist ein Versuch, auf der Basis einer "technischen Zusammenarbeit" angepaßte Informationstechnologie zu entwickeln. Ziel war es, ein computergestütztes "Monitoring, Evaluation, and Planning Support System" (MEPSS) zu erstellen und in ländlichen integrierten Entwicklungsprojekten in den peruanischen Anden einzuführen.



Ipke Wachsmuth