ZiF Conference
"Solving Complex Problems with Agent Systems"
Bielefeld, February 17 - 18, 1994
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about ZiF
Kurze Einführung und Aufruf
(English see below)
Am 17. und 18. Februar 1994 findet im Zentrum für
interdisziplinäre Forschung (ZiF) an der Universität Bielefeld
eine Arbeitsgemeinschaft zum Thema "Lösung komplexer Probleme mit
Agentensystemen" statt.
In dieser Arbeitsgemeinschaft sollen Szenarios aus jüngeren und
jüngsten Forschungsrichtungen aufgegriffen werden, die sich mit
Modellauffassungen von Agenten- und Multiagentensystemen befassen.
Ein Defizit in bisherigen Arbeiten liegt darin, daß mangels
standardisierter Konzeptionen die Realisierungen vielfach
ad-hoc-Lösungen aufweisen und kaum Ansatzpunkte zur Integration
größerer Systeme bieten, wofür Agentensysteme vom
Kerngedanken her an sich attraktive Perspektiven bieten.
Bei einem "Agenten" handelt es sich - abstrakt gesprochen - um ein
maschinelles System, das bestimmte Wahrnehmungs-, Handlungs- und
Kommunikationsmöglichkeiten miteinander verbindet und das
diese Fähigkeiten bezogen auf eine zu erfüllende Aufgabe
ein- und umsetzen kann. Dabei wird die aktuelle Situation
möglichst weitgehend als Informationsquelle herangezogen. Wie
ein Agent eine gegebene Aufgabe ausführt, kann sowohl von den
Fähigkeiten abhängen, mit denen der Agent ausgestattet ist,
wie auch von Merkmalen der Umgebung, in denen er seine Arbeit
erbringt. Es ist möglich, daß dabei mehrere solcher Systeme
miteinander Information austauschen und miteinander kooperieren.
Bislang gibt es kaum Ansätze zu einer
wissenschaftlich-systematischen Betrachtung der
verschiedenen Modellvorstellungen über Agentensysteme;
gleichzeitig läßt sich das Thema quer über die
verschiedensten Disziplinen verfolgen. Modelle synthetischer Agenten
werden beispielsweise auf der Ebene spezieller Computergrafiksysteme
(interaktives Design, bewegte Grafik), auf der Ebene von
Robotersystemen (autonome Systeme; verteilte Systeme) oder
Sprachverarbeitungssystemen (Sprach-Handlungssysteme) diskutiert,
des weiteren in neuartigen Ansätzen zur Realisierung
wissensbasierter Systeme. Auf der anderen Seite dienen Modelle und
Konzeptionen von Agenten und Multiagenten-Systemen zur analytischen
Betrachtung natürlicher Systeme bei niederen und höheren
Lebensformen.
Die technische Modellierung und Anwendung synthetischer Agenten-
und Multiagentensysteme soll hier als Thema in den Mittelpunkt gestellt
werden. Die Arbeitsgemeinschaft will Grundlagenforscher und
Anwender der Agentenphilosophie zum disziplinübergreifenden
Perspektiven- und Erfahrungsaustausch zusammenbringen. Ziel ist vor
allem die Klärung unterschiedlicher und gemeinsamer Merkmale
der Agentenmodelle in den verschiedenen Disziplinen. Dabei kann das
Spektrum von Systemen mit mehreren, sich in einer Anwendung
ergänzenden Spezialagenten bis hin zu eigenständig
kooperierenden Agenten in Multiagenten- "Gesellschaften" (z.B.
kooperierende Roboter) gehen.
Entsprechend der Vielzahl unterschiedlicher Agentenmodelle soll eine
disziplinübergreifende Strukturierung vorgenommen werden,
wobei jeweils ein "keynote speaker" vorgesehen ist. Geplant ist ferner
eine Vorstellung einzelner Demos und Anwendungen. Um
möglichst viel Raum für Diskussionen zu haben, werden
nicht alle Teilnehmer ein Referat halten können. Die Teilnahme an
dem Workshop ist beschränkt und ist nur durch Einladung
möglich. Interessenten wenden sich daher bitte *umgehend* mit
einer Kurzbeschreibung ihrer Aktivitäten an die Veranstalter.
Prof. Dr. Ipke Wachsmuth, Universität Bielefeld, Technische
Fakultät, Postfach 100131, 33501 Bielefeld
ipke@techfak.uni-bielefeld.de
Dr. H. Jürgen Müller, DFKI GmbH, Universität
Saarbrücken, Stuhlsatzenhausweg 3, 66123 Saarbrücken
hjm@dfki.uni-sb.de
Prof. Dr. Alois Knoll, Universität Bielefeld, Technische
Fakultät, Postfach 100131, 33501 Bielefeld
knoll@techfak.uni-bielefeld.de
ZiF Agents Conference - Short Introduction
An international two-day conference on "Solving Complex Problems with
Agent Systems" will be held at the Center for Interdisciplinary Research
(ZiF) at the University of Bielefeld in February 17th and 18th, 1994.
An agent can be described as a system which
combines perception, action and communication facilities to
fullfil certain tasks. A central point is that the current
situation (state of the world) is one of the main information
sources to handle the given task. How the agent deals with
a given situation is based on its capabilities as well as the
context the agent is working in. In many cases the problem solving
does not depend on one single agent but, rather, on a collection
of agents (a Multi Agent System) which solve the problem in a
cooperative way.
One of the motivations for the ZiF conference is that there is an
urgent need for systematic approaches for agent system development,
one reason being the current lack of a coherent representation of the
multitude of existing agent applications.
On the other hand, agent themes can be found in various
disciplines: Models of agents are used in the design of special
graphic systems (interactive design, virtual environments). They
are also used to conceptualize robots (autonomous systems, distributed
systems). Further, language processing systems are discussed in terms
of speech-act-systems (also used in the first blackboard architecture
for speech recognition). Last but not least, agent models are also
used for modelling complex knowledge based systems (as Cooperative
Knowledge Based Systems). In the absence of standardized conceptions,
attempts have barely been made for the integration of large systems
which is one of the strongest perspectives agent systems are able to
offer.
Participation in this conference will be by invitation and is
limited to individuals who are making significant contributions to
the field of agent systems. Not all participants will present their work;
ample time will be alotted for discussion. Coorganizers of the conference
are Ipke Wachsmuth and Alois Knoll from the University of Bielefeld
and Jürgen Müller from DFKI (German Research Center for
Artificial Intelligence).
ipke@techfak.uni-bielefeld.de
hjm@dfki.uni-sb.de
knoll@techfak.uni-bielefeld.de
Acknowledgment
The ZiF Agents Conference was conducted within the framework of the ZiF
Research Group "Prerational Intelligence" and financial and organizational
support is gratefully acknowledged.
The complete set of slides for all presentations is provided
in the ZiF Prerational Intelligence report series: Reports No. 3, 4, 5 (1994),
Center for Interdisciplinary Research (ZiF), University of Bielefeld,
Wellenberg 1, D-33615 Bielefeld, Germany.
Persönliche Bemerkungen zum Bielefelder Agentenworkshop
Bernhard Jung, 23. Februar 1994
Organisatorisches
Die 2-tägige Konferenz wurde von A. Knoll, Jürgen
Müller (DFKI) und
I. Wachsmuth geleitet, die Organisation wurde weitgehend vom ZiF
übernommen. Die Teilnahme war auf Einladungsbasis. Insgesamt
gab es 19 Vorträge zu hören, darunter 3 Keynotes (E. Durfee,
U Michigan, W. Bricken, U Washington, und Y. Demazeau, LIFIA
Grenoble).
Thematisches
Agentensysteme sind ein relativ junges, aber aufstrebendes Gebiet in
der KI. Zur Zeit fehlen dieser Disziplin aber noch allgemein anerkannte
Definitionen, z.B. von "Agent". Tatsache ist aber, daß auch ohne
verbindliche Definitionen - oder vielleicht gerade deshalb -
Agentensysteme in sehr verschiedenen Bereichen zur Anwendung
kommen. Ziel dieser Konferenz war es daher, einen Überblick
über das Gebiet der Agentsysteme zu geben. Entsprechend dem
Workshop-Charakter der Konferenz gaben die Referenten einen Einblick
in ihre momentanen Forschungsarbeiten.
Angesichts der Vielfalt von Agentsystemen waren die Referenten
aufgefordert, folgende Fragen zu beantworten:
1. Welche Definition von "Agent" wird verwendet?
2. Welches komplexe Problem versucht der Referent mit seinen Agenten
zu lösen?
Die Antworten auf letztere Frage lassen sich leichter zusammenfassen:
die vorgestellten Agentensysteme werden u.a. verwendet in den
Gebieten des Verteilten Planens (Müller, Jennings), der Virtual
Reality (Bricken, Wachsmuth/Cao, Emhardt), Bilderkennung (Demazeau),
Sprachverarbeitung (Lobin), Human-Computer-Interaction (Thomas)
und der Robotik (Schnepf, J. Müller, Lüth).
Die Definitionen von Agenten waren auch auf dieser Konferenz so
verschieden, daß der Versuch einer einheitlichen Definition erst gar
nicht ernsthaft unternommen wurde. Stattdessen wurde aber diskutiert,
wie eine solche Definition aussehen könnte: sollte sie streng formal
sein oder eher metaphorisch?
Verteilung und Situiertheit
Meiner Meinung nach nähert man sich dem Gebiet der Agentensysteme
am besten dadurch an, indem man es davon abgrenzt, was es nicht ist:
nämlich "traditionelle" KI, die z.B. durch monolithische Expertensysteme
verkörpert wird. Die Abgrenzung von der traditionellen KI
kann anhand der Beiträge an zwei Punkten festgemacht werden:
a) Verteiltheit: ein Multiagentensystem besteht nicht aus nur einem
rechnenden Prozeß, sondern aus mehreren. Multiagentensysteme
können als Reaktion der KI auf die zunehmende
Rechnervernetzung gesehen werden.
b) Situiertheit: die Welt steht nicht still, während der Agent
rechnet. Ein Agent soll in der Lage sein, fortlaufend eintreffende
Information sinnvoll in die aktuelle Berechnung zu integrieren.
Verteiltheit und Situiertheit sind dabei graduelle Begriffe. Verteiltheit
kann bedeuten, daß die Berechnung des Gesamtsystems auf
verschiedene Computer verteilt ist (Burkhardt), auf Unix-Prozesse (Fischer)
oder auf Threads. In der schwächsten From von Verteiltheit werden
Agenten einfach als eigenständige Inferenzprozeduren gesehen,
zwischen welchen a priori kein fester Kontrollfluß definiert ist, und
die "im Prinzip" parallel arbeiten können. Situiertheit kann sich
darin äußern, daß ein Agent in der echten Welt operiert
(J. Müller, Schnepf, Lüth), in einer virtuellen Welt (Bricken,
Wachsmuth/Cao, Emhardt) oder daß ein Agent den menschlichen
Softwarebenutzer beobachtet (Thomas). Im schwächeren Sinne, ist
ein Agent situiert, wenn er jederzeit Nachrichten von anderen Agenten
verarbeiten kann. Eine weitere Art von Agenten, sogenannte Soft-Bots,
zu denen es auf dieser Tagung leider keine Beiträge gab,
sind in der Unix-Welt situiert, wo sie z.B. auf ankommende e-mails
reagieren müssen.
Verteiltheit und Situiertheit sind zunächst natürlich einmal
unabhängige Eigenschaften, die aber gut zueinander passen: die
Kooperation verschiedener Agenten impliziert, daß die einzelnen
Agenten stetig aufmerksam auf Anfragen anderer Agenten sein
müssen, also Situierheit in ihrer schwachen Form. Andererseits
sind Multiagentensysteme eine offensichtliche Erweiterung von
einzelnen situierten Agenten.
Kategorisiert man die vorgestellten Agentenmodelle nach den Aspekten
der Verteiltheit und Situiertheit, dann ergibt sich folgende Einteilung: in
10 Beiträgen wurden Multiagentsysteme mit "schwach" situierten
Agenten vorgestellt (Agentenmodelle, die keine verbindliche Aussage
darüber machen, woher die Eingabe für die Agenten stammt,
habe ich hier zugeordnet). In 5 Beiträgen wurden
Multiagentensysteme vorgestellt, in denen die Agenten entweder in der
echten oder einer virtuellen Welt operierten. In 4 Beiträgen
wurden schließlich einzelne, situierte Agenten vorgestellt.
Die einzelnen Beiträge befaßten sich
darüber hinaus mit weiteren Eigenschaften von Agenten, wie z.B.
deren Architektur (belief-desire-intention) und interne Zyklen
(recognize-process-act). Um hierüber einen kleinen
Überblick zu geben, möchte ich im folgenden ganz kurze
Zusammenfassungen einzelner Beiträge geben, die für mich
zu den Höhepunkten der Konferenz gehörten.
Highlights
Ed Durfee untersuchte Multiagentensysteme (MAS) aus einer
historischen Perspektive. Ein Ursprung von MAS war die Gruppierung
von Regeln in Expertensystemen. Der nächste Schritt waren dann
Blackboard-Architekturen, wo aus Regelgruppen eigenständige
Agenten wurden, die spezialisierte Inferenzen durchführen
konnten. Es folgte die Geburt der Verteilten KI, die zunächst
identisch mit Verteiltem Problemlösen war. Hier wurde die
Verteilung von Inferenzmaschinen auf verschiedene Prozessoren
vollzogen. Inzwischen sind MAS ein weiteres Teilgebiet der verteilten
KI. Die Unterscheidung zw. Verteiltem Problemlösen und MAS war
Gegenstand einer eingehenden Untersuchung. Ein Hauptunterschied ist
nach Durfee, daß die einzelnen Agenten in MAS sehr
unterschiedlich sein können, wogegegen sie beim Verteilten
Problemlösen alle sehr ähnlich sind.
Hans-Dieter Burkhard widmete sich dem Agenten-orientierten
Programmieren. Agenten-orientiertes Programmieren wird als Erweiterung
des Objekt-orientierten Programmierens gesehen. In Burkhards Agentenmodell
besteht ein Agent besteht darin aus einem subjektiven
Weltmodell (Beliefs), Zielen (Desire), möglichen Aktionen und
Entscheidungsregeln. Die Entscheidungsregeln bestimmen in
Abhängigkeit von den augenblicklichen Beliefs die nächste
Aktion (Intention) des Agenten. Ein Agent durchläuft
fortwährend einen recognize-process-act-Zyklus. Dieser Zyklus
sollte tendenziell eher kurz sein, damit der Agent schnell auf
Veränderungen in der Welt und auf Nachrichten von anderen
Agenten reagieren kann.
Kurt Sundermeyer stellte ein Agentenmodell vor, das in mindestens
zwei weiteren Beiträgen aufgegriffen wurde. Auffallend ist hier,
daß Agenten Zugriff auf eine externe Wissensbasis haben und
daß sie sog. "behavior scripts" und Kommunikationsprotokollen
folgen, die - nicht nur im Namen - an Schanks Scripts erinnern.
Nick Jennings stellte das EU-Projekt ARCHON vor. Dieser Vortrag ragte
insofern aus dem Programm heraus, daß ARCHON zur Lösung
echter, großer Probleme wie der Sicherung der Stromversorgung
von Städten experimentell eingesetzt wird. Ein Clou von
ARCHON ist, daß bestehende nicht-Agenten-Software durch das
Hinzufügen einer Kommunikationsschnittstelle zu einem Agenten
aufgerüstet werden kann.
William Bricken betrachtete Agenten in virtuellen Welten. Brickens
Ausgangspunkt ist dabei eher Virtual Realtity als Multiagentensysteme.
So bezeichnete er die Objekte in seinen virtuellen Welten auch als
Entitäten, nicht als Agenten. Die Gemeinsamkeiten zwischen
Brickens Entitäten und Agenten liegen jedoch auf der Hand:
Entitäten sind in der virtuellen Welt situiert, und sie werden als
eigenständige, parallele Prozesse implementiert. Bricken stellte
VEOS (Virtual Environment Operating System) vor, ein Betriebsystem
das die Modellierung virtueller Entitäten unterstützt.
Darüber hinaus reflektierte er über die Interaktion zwischen
einem menschlichen VR-Teilnehmer und virtuellen Entitäten:
Kommunikation ist hier in der Regel gestisch, nicht symbolisch.
Resümee
Die Konferenz gab einen anregenden Überblick über
verschiedene Ansätze von Agentensystemen. Es hat sich gezeigt,
daß diese Ansätze sehr unterschiedlich sind, so daß sie
zur Zeit vielleicht nur durch Abgrenzung von der traditionellen KI auf
einen gemeinsamen Nenner gebracht werden können. Im
allgemeinen sind Agentensysteme auf dem Vormarsch. Die beteiligten
Wissenschaftler sind inzwischen gut organisiert, in Deutschland z.B. in
einer Fachgruppe der GI. Agentenworkshops sind auf vielen
größeren KI-Konferenzen zu finden. Mit der Etablierung von
Verteilten Arbeitsumgebungen werden Multiagentensysteme einen
weiteren Aufschwung erfahren.
Ipke Wachsmuth, last updated 2000-09-29